Das Verhältnis zwischen veganem Leben und Landwirtschaft ist vielfältig und spannungsreich. Das wurde zuletzt bei der „Wir haben es satt“ -Demo Ende Januar 2017 deutlich. Vielen Tierrechts-Aktiven fällt es schwer, mit Tiernutzer_innen Bündnisse einzugehen. Doch wieso ist es überhaupt wichtig, sich am Schnittpunkt von Landwirtschaft und Tierrechten zu engagieren? Und was kann ein_e Einzelne_r schon tun?
Die Demo „Wir haben es satt“ ist eine der größten und am meisten beachteten Veranstaltungen Deutschlands, bei der eine Abkehr von der aktuellen zerstörerischen Landwirtschaftspolitik gefordert wird. Dieses Jahr gingen laut Veranstaltenden 18.000 Demonstrierende auf die Straße. Anlass war die Internationale Grüne Woche, die jährlich Ende Januar in Berlin stattfindet, und in deren Umfeld nationale wie auch internationale Landwirtschaftspolitik maßgeblich gestaltet wird. In den letzten Jahren nahmen auch Tierschutz-, Tierrechts- und Tierbefreiungs-Gruppen wie die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, der VEBU, PETA und Grüne Woche Demaskieren an der Demo Teil, um das Ende des Elends nicht-menschlicher Tiere in Mastanlagen und Schlachthöfen zu fordern. Anders dieses Jahr.
Schon lange im Vorfeld der „Wir haben es satt“-Demo wurden Unstimmigkeiten in der Organisation bekannt: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt kündigte bereits im Oktober ihren Rückzug an. Ihre Forderung, die Reduktion des Fleischkonsums auf die Agenda zu rücken, fand kein Gehör. Umgekehrt nahmen die Organisierenden mit der Forderung „Heimisches Eiweißfutter fördern!“ klar Interessen von Akteur_innen auf, die auf Kosten nicht-menschlicher Tiere Profit erwirtschaften. Im Forderungskatalog spielten nicht-menschliche Tiere nur am Rande eine Rolle und auch dort nur als Nutzgegenstände, anstatt ihrer Individualität Rechnung zu tragen. Insofern ist der Rückzug der Albert Schweitzer Stiftung und das Fehlen der anderen Gruppen gut nachvollziehbar, aber bedauerlich.
Denn es ist wichtig, auch jenseits punktuell aufgedeckter Skandale auf das Leiden der sogenannten Nutztiere in der Landwirtschaft hinzuweisen und sich in die Debatte über Landwirtschaftspolitik einzumischen. Deswegen sind Veranstaltungen zu Landwirtschaft immer auch Aktionsraum für Tierrechtler_innen und Tierbefreier_innen. Doch Landwirtschaft ist in vielen Punkten über die direkte Ausbeutung nicht-menschlicher Tiere hinaus ein veganes Kernthema.
Die konventionelle Landwirtschaft setzt auf intensive Bewirtschaftung und große Monokulturen, die vielen Tieren keinen Lebensraum bieten und sogar ganze Arten bedrohen. Zudem werden die gewünschten Pflanzen mit mineralischen Düngemitteln hochgepäppelt und die unerwünschten „Unkräuter“ und „Schädlinge“ mit Pestiziden beseitigt. Dies bedeutet den beabsichtigten Tod ungezählter Insekten ebenso wie den nebenbei hingenommenen Tod anderer Tiere, zum Beispiel Amphibien und Bienen. Die Überdüngung wiederum hat negative Auswirkungen auf das Leben im Boden und verseucht Grundwasser und Meere – zusätzlich zur Zerstörung von Lebensräumen bei der Gewinnung der endlichen Ressourcen für die Düngemittel, wie Phosphor. Einseitige Bewirtschaftung laugt den Boden zudem aus.
Auch Menschen leiden unter den Folgen der aktuellen profit-maximierenden Landwirtschaft. Nitrat aus Düngemitteln im Grundwasser stellt auch eine Gefährdung für Menschen dar. Außerdem belasten Landgrabbing und der enorme Preisdruck Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Dabei sind die Verhältnisse außerhalb Deutschlands, wo ja ein großer Teil der in Deutschland verzehrten landwirtschaftlichen Erzeugnisse produziert wird, häufig deutlich schlechter: vom Einsatz von in Deutschland verbotenen Chemikalien ohne Schutzkleidung über extrem niedrige Löhne und lebensgefährliche Arbeitsbedingungen bis hin zur Vertreibung von Kleinbäuer_innen durch Investor_innen. Auch dass der Handel mit Saatgut von großen Chemie-Konzernen wie Monsanto und DuPont dominiert wird, die Tierversuche durchführen, ist aus Tierrechts-Perspektive nicht akzeptabel.
Angesichts dieser Zustände kann der Appetit schnell vergehen. Doch das sollte er nicht. Denn es gibt Alternativen. Einen Schritt zu einer besseren Landwirtschaft weisen Bio-Siegel, die wenigstens den Einsatz synthetischer Gifte ausschließen. Siegel und Unternehmen des fairen Handels wie GEPA, El Puente, dwp, Transfair, Banafair oder GOTS garantieren durch höhere Löhne, das Respektieren von Arbeiter_innen-Rechten und langfristige Kooperationen eine sozial nachhaltigere Alternative. Dies gilt übrigens nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Kleidung und andere Textilien. Und auch in Berlin gibt es seit mehreren Jahren die Möglichkeit, in Projekten der solidarischen Landwirtschaft finanzielle Lasten gemeinsam zu tragen, faire Löhne zu garantieren und eine bedarfsgerechte und ökologischere Anbauplanung zu erarbeiten. Vielversprechend ist auch das Netzwerk bio-vegane Landwirtschaft, das unter anderem Höfe für bio-vegane Landwirtschaft im Berliner Raum sucht.
Diese Alternativen sind kleine Schritte angesichts der vielen Missstände in der aktuellen Landwirtschaft. Doch die Vision ist klar: Eine ethisch vertretbare und nachhaltige Landwirtschaft muss vegan, fair und bio sein! Und diese Forderungen müssen weiterhin und verstärkt in die aktuelle Landwirtschaftspolitik getragen werden.