[teaser]Anlässlich des Bundesjägertages 2014 veranstaltet die evangelische Marienkirche am Alexanderplatz morgen eine Hubertusmesse – ein Gottesdienst, der weder dem Leben huldigt noch Gewaltlosigkeit predigt sondern Tiere zum Spaßobjekt für Jäger_innen degradiert und gleichzeitig die Bedeutung der Hubertuslegende ins Gegenteil verkehrt. Wir schrieben dem für den Gottesdienst verantwortlichen Pfarrer.[/teaser]
Sehr geehrter Herr Pfr. Haußmann, sehr geehrte Damen und Herren,
im Gottesdienstprogramm der Marienkirche ist für Donnerstag, den 26. Juni, um 16:00 Uhr ein Gottesdienst mit Pfr. Haußmann aufgeführt. Auf den Seiten des Deutschen Jagdverbandes habe ich für diesen Termin einen Hubertus-Gottesdienst gefunden, der dort als Veranstaltung im Rahmen des Bundesjägertages stattfinden soll. Ist diese Information zutreffend? Wenn ja, wie konnte es dazu kommen? Mir erschiene eine solche Entscheidung, dem Deutschen Jagdverband in der Kirche ein Forum zu bieten, bedauerlich und unverständlich.
Die Jagd, so wie sie derzeit in Deutschland ausgeübt wird, hat mit dem traditionellen Bild des edlen Jägers im Märchen nichts mehr zu tun. Sie ist nichts als ein kostspieliges Hobby einer zahlungskräftigen, aber rückwärtsgewandten, selbsternannten Elite. Zudem sind die Jäger_innen durch massive Fütterungen verantwortlich für den immensen Anstieg der Schwarz- und Rotwildpopulation in Deutschland in den letzten Jahren, der die Ursache für Wildschäden, Wildunfälle und nachhaltige, ungesunde Veränderungen des Waldes sind. Von Hege und Pflege keine Spur. Dass es auch ohne Jagd geht, zeigen zahlreiche befriedete Gebiete in ganz Europa. Wie unsinnig und schädlich die Jagd ist, konnte man nicht zuletzt im Beitrag „Jäger in der Falle“ sehen, den das ZDF trotz heftigen Widerstands aus der Jägerschaft vor einiger Zeit ausgestrahlt hat.
Worum es den Jäger_innen selbst vor allem geht, zeigt nicht zuletzt die Aussage eines Jägers, zitiert in der TAZ vom letzten Wochenende, mit der er die Macht- und Lustgefühle beim Töten beschreibt – ein Statement, das man von Jäger_innen so oder ähnlich oft zu hören und lesen bekommt. Was hat das mit Hege und Naturliebe zu tun? Und was hat ein derartiges Hobby in der Kirche verloren?
Nichts dagegen, wenn Jäger_innen den Gottesdienst besuchen. Aber nicht, um sich für ihr blutiges Hobby den Segen zu erbitten. Denn was hat die Evangelische Kirche mit der Jagd zu schaffen? Und was hat es mit der Hubertuslegende wirklich auf sich? Wie heißt es in der Hubertuslegende, an die dieser Gottesdienst – so die Information des Jagdverbads richtig ist – erinnern soll? Hubertus wurde von Christus nicht in seinem Tun bestätigt, sondern aufgefordert, die Jagd zu beenden!
Es ist anachronistisch und blasphemisch, Jäger_innen und ihrem blutigen Hobby in der Kirche ein Forum zu geben. Nicht nur Wildtiere leiden durch das Tun der Jäger_innen. Durch Jagdwaffen sterben auch in Deutschland jedes Jahr zahlreiche Haustiere und Dutzende von Menschen. Kürzlich wurde in Berlin vor Gericht ein Fall verhandelt, bei dem ein Jäger im Rentenalter nicht einsehen wollte, warum ihm nach der tödlichen Verwechslung eines Islandponys mit einem Wildschwein der Jagdschein entzogen wurde. Auch Fälle, in denen Jäger_innen vor Gericht der Grausamkeit gegen Tiere überführt werden, häufen sich. Doch würden sie ihrem Vorbild Hubertus folgen, würden sie die Jagd sofort aufgeben. Und würden die Kirchen Hubertus ernst nehmen, Hubertusmessen wären Vergangenheit!
Im Evangelium bezeichnet sich Christus als der Bettler, der uns Menschen entgegentritt. In der Hubertuslegende tritt Christus Hubertus als Hirsch entgegen. Christus ist nicht nur Mensch unter Menschen geworden, in der Geschichte des Hubertus wird er zum jagdbaren, zum wehrlosen Tier. „Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: ‚Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.‘“ (Matth. 25,45)
Kirche feiert das Leben, und predigt Gewaltlosigkeit – gegen Mensch und Tier. Das lehrt nicht nur die Hubertuslegende, die davon berichtet, wie ein Jäger aufhörte, Jäger zu sein. Auch viele andere Heilige der Kirchengeschichte, von irischen Einsiedlermönchen bis zu Franz von Assisi, haben Tiere als Schwestern und Brüder behandelt, nicht als erneuerbare Ressourcen. Hingegen gibt es weder in der Bibel noch in den Heiligenlegenden ein Vorbild für Jäger_innen, die zum Spaß jagen und Tiere töten. In allen maßgeblichen Schriften der Kirche, vom Alten Testament über Paulus bis zu Franziskus oder dem Theologen Albert Schweitzer, werden Tiere wie Menschen als Teil der Schöpfung gesehen, nicht als Lustobjekt der Jäger_innen.
Aus theologischer Sicht wurde nicht zuletzt von Pfr. Dr. theol. Ulrich Seidel von AKUT – Aktion Kirche und Tiere e.V. über die Jagd und Hubertusmessen geschrieben, wie wenig diese mit dem Glauben der Kirche vereinbar sind (vgl. Ulrich Seidel, „Kein Segen fürs Töten – ein Beitrag zu den Hubertusmessen“, in: Kirche im ländlichen Raum 03/2008, S. 33-35).
Auch andere evangelische Theolog_innen der Gegenwart, wie Prof. Dr. Erich Gräßer, setzen sich seit Jahrzehnten für ein Miteinander von Mensch und Tier und gegen das Töten von Mitgeschöpfen ein.
In der Kirche, wie in der Bevölkerung überhaupt, ist ein Bewusstseinswechsel eingetreten, was das Verhältnis zu Tieren angeht, die von einer Mehrheit der Menschen nicht länger als Ware gesehen werden – und ich bin sicher, eine große Mehrheit derer, die die Kirchen dieser Stadt an Sonntagen besuchen, ist gegen das hobbymäßige Töten von Tieren und für einen neuen Umgang mit Mitgeschöpfen.
Im Rahmen der katholischen Kirche gibt es seit nunmehr fünf Jahren das Institut für Theologische Zoologie, das sich wissenschaftlich-theologisch mit Tieren als unseren Mitgeschöpfen befasst und gleichfalls für eine neue Sichtweise von Tieren als Mitgeschöpfen eintritt. Dass ausgerechnet die Evangelische Kirche unserer Stadt sich im Jahr 2014 dafür hergeben sollte, die anachronistische Weltsicht der Jäger_innen zu bestätigen, die hobbymäßig Tiere töten, statt sie zu schützen, will ich nicht glauben.
Denn die hobbymäßige Jagd auf Tiere lässt sich mit der christlichen Tradition nicht vereinbaren. Wenn die Evangelische Kirche in Berlin der Jägerschaft noch im Jahr 2014 ein Forum gäbe, wäre das daher absolut unverständlich.
Mit freundlichen Grüßen.
Eine Antwort erhielten wir leider nicht.
Anlässlich des Bundesjägertages treffen sich am Freitag, den 27. Juni, Jagdgegner vor dem andel’s Hotel in der Landsberger Allee, um gegen die Jagd und für Tierrechte zu protestieren. Die Veranstalter_innen freuen sich über rege Beteiligung!