[teaser]Wir waren dabei. Mit Aktiven aus Deutschland und Spanien demonstrierte Animal Equality letzte Woche erneut gegen den Verkauf von Enten- und Gänsestopfleber im KaDeWe. Wie schon seit einigen Monaten trafen sich die Aktivist_innen vor dem KaDeWe, um mit Bildern und Flugblättern über die grausamen Hintergründe der Produktion dieser vermeintlichen Delikatesse aufzuklären.[/teaser]

Die Produktion von Stopfleber gilt als so grausam, dass sie in Deutschland, Österreich, der Schweiz und vielen weiteren Ländern verboten ist. Inkonsequenterweise geht mit dem Produktions- kein Verkaufsverbot einher: Stopfleber darf bei uns nicht produziert werden, weil diese Produktion tierquälerisch ist, aber sie darf bei uns verkauft werden, solange die dazu erforderliche Tierqual nicht auf deutschem Boden stattfand. So sagt das Gesetz.

Das KaDeWe ist vor Beginn der Aktion in einem offenen Brief von Animal Equality darum gebeten worden, den Verkauf von Stopfleber wegen der extremen Grausamkeit und der Leiden, die die Tiere dafür erdulden müssen, einzustellen. Bis heute hat das KaDeWe darauf in keiner Weise geantwortet, und der Verkauf von Stopfleber geht weiter – nicht nur bei uns. Darum hat Animal Equality eine Petition zu einem europaweiten Verkaufsverbot von Stopfleber angestoßen und sammelt Unterschriften, mit denen das KaDeWe zu einen Verkaufsstopp aufgefordert wird.

Animal Equality recherchierte in französischen und spanischen Produktionsstätten, die Ergebnisse dieser Recherche lassen uns seither nicht schlafen. Junge Gänse und Enten werden für den Rest ihres Lebens in körpergroße Käfige gesperrt, in denen sie sich nicht einmal umdrehen können, und bekommen über Wochen hinweg mehrmals täglich über ein Metallrohr große Mengen Nahrung in den Magen gepumpt, bis die Leber auf das zehnfache ihres normalen Gewichts angeschwollen ist. Die Tiere, die zu diesem Zeitpunkt oft nicht mehr stehen und kaum mehr atmen können, werden in einem Alter von nur drei bis vier Monaten getötet, oft bei vollem Bewusstsein. Viele sterben vorher, sie ersticken, oder die Angestellten der Stopfleberindustrie zerreißen ihnen den Magen bei dem Versuch, noch mehr Nahrung in sie hineinzupressen.

Am letzten Donnerstag kam dieses unermessliche Leiden der Enten aus den Stopfleberproduktionen Frankreichs und Spaniens hautnah zu uns, und etwas weniger nah zu den Passant_innen und Kund_innen des KaDeWe. Wie drei andere Aktivist_innen trug auch ich anstelle der Fotos des blutigen Handwerks der Stopfleberproduzent_innen eine von vier getöteten Enten aus der Stopfleberindustrie auf meinen Händen. Ihre monströs verfettete Leber in einer glänzenden Dose sechs Stockwerke hoch über uns – der kleine kalte Leib, der für die Menschen nur wegen seiner kranken Leber von Wert sein sollte, in meiner Hand, ein Auge blutig, dass mensch es kaum mehr in seiner Höhle sah, das andere nur halb geschlossen. Ihr Schnabel und ihr Hals sahen wund aus – ich erinnerte mich an die Bilder, auf denen Menschen die Hälse der Enten gepackt hielten und Metallrohre in sie hineinrammten.

Eine Stunde lang standen wir so. Meine Tränen angesichts des Übermaßes an Leid, das ich in Händen hielt, mischten sich mit dem Regen, vielleicht auch mit der Auftauflüssigkeit, die aus dem langsam weicher werdenden kleinen Körper floss. Ich begann dankbar zu werden für die Minzpaste, die wir uns vor der Aktion unter die Nase hatten reiben dürfen. Vielleicht ist mir noch keine Stunde in meinem Leben so schwer gefallen wie diese. Meine Hände zitterten immer mehr und ich verlor den Kampf gegen die Tränen. So zärtlich wie möglich hielt ich den leblosen Körper, der im Leben nur Schmerzen von Menschenhand erfahren hat, so als ob unsere liebevollen Hände ihn wenigstens im Tod erreichen könnten, etwas wiedergutmachen, an ihm und seinen zahllosen Leidensgenossen, die Jahr für Jahr grausam gequält und getötet werden, für das KaDeWe und einige andere.

Wenigstens diese vier Enten sind nicht unsichtbar geblieben. Sie haben durch ihr Leid und ihren Tod nicht nur die Konten ihrer Ausbeuter_innen bereichert und deren Bilanzen verbessert, sondern sind zum Mahnmal geworden für eine Gesellschaft, die die Rechte der Schwächeren mit Füßen tritt, die die Interessen und Bedürfnisse empfindungsfähiger Wesen ignoriert und die ihr Gewissen gegen Profit eingetauscht hat. Animal Equality schreibt über diese Aktion: „Wir wollen zeigen, dass diese Tiere Individuen sind, die genau wie wir in der Lage sind Freude, Schmerz und Trauer zu empfinden. Wir dürfen diese Empfindungsfähigkeit nicht ignorieren.“

Am letzten Donnerstag habe ich durch einen Schleier aus Regen und Tränen vor allem die entsetzen Blicke der Passant_innen gesehen. Ich weiß aber aus einer großen Zahl von Gesprächen, die ich bei vorherigen Aktionen von Animal Equality mit vielen Menschen auf der Straße geführt habe, dass es eine breite Mehrheit, ja einen gesellschaftlichen Konsens gegen Produkte aus tierquälerischer Produktion gibt, dass auch Omnivore sich fast immer dafür aussprechen, Tierleid und extreme Grausamkeit unbedingt zu vermeiden und Produkte wie Enten- oder Gänsestopfleber nicht nur als dekadent und unzeitgemäß, sondern auch in hohem Maß als unethisch empfinden. Es ist Zeit, dass das KaDewe diesem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trägt und nach Pelz und lebendem Hummer endlich auch Stopfleber aus seinem Sortiment entfernt. Grausamkeit gegen Tiere ist nicht mehr mehrheitsfähig!

Steffi von Animal Equality beendete ihre kurze Ansprache so: „Die Ausbeutung von Tieren ist keine Privatsache. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass wir die Stimme erheben für die Stimmlosen, deren Rechte missachtet werden.“

[Achtung! Das Video zeigt Gewalt gegen Tiere.]

Nachtrag: In einem heutigen Telefonat mit dem Büro der Geschäftsleitung des KaDeWe erfuhren wir, dass die Geschäftsleitung, die anders als vermutlich viele Kund_innen sehr genau weiß, mit welcher Tierqual die Produktion von Stopfleber verbunden ist, sich dennoch dazu entschlossen hat, ungeachtet aller Proteste Stopfleber weiter zu verkaufen, so lange Nachfrage nach Stopfleber besteht und das Gesetz den Verkauf erlaubt.

Animal Equality wird einen langen Atem haben müssen. Aber da bin ich ganz zuversichtlich.

[Achtung! Das Video zeigt Gewalt gegen Tiere.]