[teaser]Am 15.6. war Berlin-Vegan dort, wohin sich die Gentrifizierung nicht traut – am äußersten Rand von Hohenschönhausen.[/teaser]

Hohenschönhausen, wie ich es noch nicht kannte: Tief in der Plattenbausiedlung nahe dem S-Bahnhof Wartenberg existiert seit 1996 in einer ehemaligen Kita der nicht-kommerzielle, alternative Klub WB13 zur Förderung einer „unabhängigen, selbstbestimmten und rebellischen Subkultur“. Im Klartext heißt das: Inmitten von Beton, ranzigen Sofas und ramponierten Möbeln werden junge Bands, Künstler_innen und Kreative dabei unterstützt, ihr eigenes Ding zu machen. Konzerte, Filmabende, Vorträge und gemeinsames Futtern – oft vegan! – bringen Leben in die triste Platte und den überaus grünen, chilligen Garten.

Einmal im Jahr wird draußen gerockt, gesprüht, gefuttert, gehüpft und abgehangen: Beim subkulturellen Straßenfest, auf das Berlin-Vegan dieses Jahr als kulinarischer Versorger von etwa zweihundert Besucher_innen gebeten wurde. Wir fackelten nicht lange und sagten zu, schließlich bekommt mensch selten die Chance, den Veganismus in den Randbezirk zu bringen. Drei gutmütige Damen kürten sich zu organisatorischen Oberhäuptern, die erste Bedarfsliste war schnell getippt, der Flyer entworfen, die Ankündigungen in den sozialen Netzwerken getätigt und ein Helfer_innenaufruf gestartet. Die Standbetreuungsschichten besetzten sich quasi von selbst, nur an Salaten und Kuchen mangelte es noch. Meine Güte, wir hatten zweihundert Leute zu sättigen, sollten uns das vegane Angrillen im Görlitzer Park und der Bake Sale bei Dr. Pogo tatsächlich die treuen Spender_innen streitig machen? (So ist das in Berlin, da klauen sich die veganen Happenings inzwischen gegenseitig die Teilnehmer_innen.)

Wir organisierten kompostierbares Einweggeschirr, eine Transportmöglichkeit, zwei Camping-Herdplatten und Wechselgeld – habt ihr mal versucht, als Privatmensch bei einer Bank gerolltes Hartgeld zu besorgen? – schleppten Banner und Flyer durch die Gegend, jammerten nach Unterstützer_innen, verdonnerten Lebenspartner zur Salatherstellung, die sich mit „20 Jahre Jagdfreunde Ahrensfelde e.V.“-Aufdruck auf der Schüssel rächten, und produzierten bis spät abends Kuchen und Bratlinge. Nervös wurde ich erst, als vier Tage vor der Show noch immer ein Topf im Großküchenformat fehlte, fähig hundert Portionen Chili sin carne zu halten, das als Hauptact des Tages vorgesehen war. Die potentiellen Verborger_innen ergingen sich in beharrlichem Schweigen auf unsere Anfragen, die Preise im Gastronomiehandel hätten unser nicht vorhandenes Budget gesprengt und bei Ebay sah’s auch nicht besser aus. „Zweihundert Leute, wir müssen bekloppt gewesen sein. So ne Aktion machen wir nicht nochmal!“ Die Rettung kam von einem befreundeten Tanzlokal, das uns einen Sechsunddreißig-Liter-Monstertopf überließ, in dem sich die vierundachtzig Dosen Mais, Kidneybohnen und gehackte Tomaten sowie die anderthalb Kilo Sojahack, die meine Mitstreiterinnen in einem außerordentlich blank geschrubbten Putzeimer und acht Liter Gemüsebrühe angerührt hatten, wie Elemente aus der Puppenstube ausnahmen. Und doch, irgendwann war er voll, der Topf, die Finger der Mitstreiterinnen brannten vom Zerhacken der dreißig Schoten Chili und mir ditschte vor Müdigkeit beinahe der Schädel auf den Küchentisch. Der Rest würde easy, denn des Schicksals Lauf konnten wir nun sowieso nicht mehr beeinflussen. Entweder das Futter würde reichen oder eben nicht.

Und tatsächlich: Der Transport flutschte, vor Ort erwarteten uns ein Pavillon, zwei Tische, mehrere Bierbänke und die ersten Helfer inklusive zu verspendender Fressalien. Wir bauten auf, quatschten, besichtigten die Straßenfestlokalität – die pure Entspannung. Es wurde ein Tag voller Friedfertigkeit, ganz wunderbarer, lässiger Menschen und unglaublich leckeren Essens, das kurz vor acht restlos ausverkauft war und nur eine Handvoll Mägen hungrig zurückließ. Unsere kleine, vegane Tierrechtsblase mitten in Hohenschönhausen. Sollten wir nächstes Jahr wieder um Teilnahme gebeten werden, machen wir das nochmal. (Jaja, schmunzelt ruhig.)

Den erwirtschafteten Gewinn steckten wir übrigens zum kleinen Teil direkt in die nächste Demo, den Rest werden wir einer Tierrechtsorganisation in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten spenden. Danke an alle Kuchen-, Salat-, Bratlinge-, Saucen- und Hummusstifter_innen und unsere entzückenden Helfer_innen, wir hatten eine gar fabelhafte Zeit!